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Gericht: Bayerisches Oberstes Landesgericht
Beschluss verkündet am 12.12.2000
Aktenzeichen: 1Z BR 136/00
Rechtsgebiete: BGB, EGBGB
Vorschriften:
BGB § 133 | |
BGB § 2247 | |
BGB § 2369 | |
EGBGB Art. 4 | |
EGBGB Art. 25 |
BayObLG Beschluss
LG Coburg - 41 T 52/00; AG Coburg VI 213/97
12.12.00
Der 1. Zivilsenat des Bayerischen Obersten Landesgerichts hat unter Mitwirkung der Richter Kenklies, Seifried und Zwirlein am 12. Dezember 2000 in der Nachlaßsache
beschlossen:
Tenor:
I. Die weitere Beschwerde der Beteiligten zu 1 gegen den Beschluss des Landgerichts Coburg vom 29. September 2000 wird zurückgewiesen.
II. Die Beteiligte zu 1 hat die der Beteiligten zu 2 im Verfahren der weiteren Beschwerde entstandenen Kosten zu erstatten.
III. Der Antrag der Beteiligten zu 1, ihr für das Verfahren der weiteren Beschwerde Prozeßkostenhilfe zu bewilligen, wird zurückgewiesen.
IV. Der Geschäftswert des Verfahrens der weiteren Beschwerde wird auf DM 69000,-- festgesetzt.
Gründe
I.
Die Erblasserin, eine niederländische Staatsangehörige, ist am 22.1.1997 im Alter von 85 Jahren verstorben. Sie war verwitwet und kinderlos und lebte in den letzten Jahrzehnten in Deutschland, zuletzt in einem Altenheim. Der Nachlaß besteht im wesentlichen aus einem Guthaben bei einer Bank in Deutschland.
Die Beteiligte zu 1, eine Verwandte der Erblasserin, beantragte am 13.4.2000 die Erteilung eines Erbscheins, der sie als Alleinerbin ausweisen sollte. Sie stützt die von ihr geltend gemachte Erbenstellung auf ein von der Erblasserin eigenhändig geschriebenes und unterschriebenes Schriftstück vom 8.3.1995, das die Überschrift "Vollmacht" trägt und wie folgt lautet:
"Ich, Unterzeichnete, gebe Vollmacht Frau... (Beteiligte zu 1) und ihrer Tochter...
zur Verfügung meiner Bargeld-Beträge und aller Konten meines Besitzes."
Die Beteiligten zu 2, 3 und 4 sind Enkel eines Bruders des Vaters der Erblasserin. Sie haben keinen Antrag auf Erteilung eines Erbscheins gestellt, jedoch der Erteilung eines Erbscheins an die Beteiligte zu 1 widersprochen.
Das Amtsgericht hat den Erbscheinsantrag der Beteiligten zu 1 mit Beschluss vom 22.8.2000 zurückgewiesen. Gegen die Entscheidung des Amtsgerichts hat die Beteiligte zu 1 Beschwerde eingelegt, die das Landgericht mit Beschluss vom 29.9.2000 zurückgewiesen hat. Hiergegen richtet sich die weitere Beschwerde der Beteiligten zu 1.
II.
Die weitere Beschwerde der Beteiligten zu 1 ist zulässig, aber nicht begründet. Prozeßkostenhilfe kann ihr nicht bewilligt werden, da die weitere Beschwerde von vornherein ohne Aussicht auf Erfolg war (§ 14 FGG i.V.m. § 114 ZPO).
1. Das Landgericht hat ausgeführt, zur Entscheidung über den Erbscheinsantrag seien die deutschen Gerichte jedenfalls international zuständig. Dies ergebe sich für den Fall, dass die Erblasserin nach deutschem Recht beerbt wurde, aus dem Erfordernis des Gleichlaufs von anwendbarem Recht und internationaler Zuständigkeit und für den Fall, dass die Erblasserin nach niederländischem Recht beerbt wurde, im Hinblick auf die im Inland befindlichen Vermögensgegenstände aus § 2369 BGB.
Die von der Beteiligten zu 1 beanspruchte Alleinerbenstellung könne allenfalls aus dem Schriftstück vom 8.3.1995 hergeleitet werden. Dieses könne jedoch nicht als eine von ernstlichem Testierwillen getragene letztwillige Verfügung der Erblasserin angesehen werden. Bereits die konkrete Gestaltung der Urkunde spreche gegen einen Testierwillen der Erblasserin. Diese habe das Schriftstück mit "Vollmacht" überschrieben und in der nächsten Zeile formuliert, sie "gebe Vollmacht". Die Erblasserin habe auch konkret angegeben, dass sich die Vollmacht auf die Verfügung über ihr Bargeld und ihre Konten beziehen solle. In zeitlichem Zusammenhang mit der handschriftlichen Vollmacht vom 8.3.1995 habe die Erblasserin am 26.6.1995 außerdem auf einem Formularvordruck ihrer Bank der Beteiligten zu 1 eine Konto- und Depotvollmacht über den Tod hinaus erteilt. Aus bei den Akten befindlichen Schriftstücken der Erblasserin ergebe sich, dass diese die Wörter "Testament" und "Vollmacht" in jeweils passendem Zusammenhang gebraucht habe; dies spreche dafür, dass sie den Unterschied zwischen den beiden Begriffen gekannt habe. Es gebe daher keinen Ansatzpunkt für die Annahme, dass es sich bei der Bezeichnung des Schriftstücks vom 8.3.1995 als "Vollmacht" lediglich um eine Falschbezeichnung gehandelt habe. Den von der Beteiligten zu 1 und ihren Söhnen behaupteten Bekundungen eines allgemeinen Willens der Erblasserin, der Beteiligten zu 1 solle nach dem Tod der Erblasserin das restliche Vermögen gehören, könne keine Bedeutung zukommen.
2. Die Entscheidung des Landgerichts hält im Ergebnis der rechtlichen Nachprüfung stand. Das Landgericht hätte allerdings seiner Beurteilung des Erbscheinsantrags nicht deutsches Recht zugrundelegen dürfen, ohne zuvor positiv festzustellen, dass das Erbstatut sich nach deutschem Recht bestimmt.
a) Dass die Erblasserin tatsächlich nach deutschem Recht beerbt wird, ergibt sich aus folgendem:
Da die Erblasserin niederländische Staatsangehörige war und staatsvertragliche Regelungen, die gemäß Art. 3 Abs. 2 Satz 1 EGBGB vorrangig zu beachten wären, nicht bestehen, verweist das deutsche internationale Privatrecht für das Erbstatut auf das Recht der Niederlande (Art. 25 Abs. 1 EGBGB), und zwar auch auf deren internationales Privatrecht (Art. 4 Abs. 1 EGBGB). Das niederländische Kollisionsrecht ist für Erbfälle seit dem 1.10.1996 durch das an diesem Tag in Kraft getretene Erbkollisionsgesetz geregelt. Gemäß Art. 1 des niederländischen Erbkollisionsgesetzes wird das Recht, das auf die Erbfolge anwendbar ist, durch die Vorschriften des am 1.8.1989 in Den Haag geschlossenen Übereinkommens über das auf die Erbfolge anwendbare Recht (Haager Erbrechtsübereinkommen - ErbÜbk) bestimmt (vgl. Ferid/Firsching/Weber Internationales Erbrecht Abschnitt Niederlande Vorbem. Rn. 2; Staudinger/ Dörner BGB (2000) Anhang zu Art. 25 f. EGBGB Rn. 462 ff.; Schmellenkamp MittRhNotK 1997, 245).
Gemäß Art. 3 Abs. 2 Satz 1 ErbÜbk unterliegt die Rechtsnachfolge von Todes wegen dem Recht des Staates, in dem der Erblasser zum Zeitpunkt seines Todes seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte, wenn er sich mindestens 5 Jahre unmittelbar vor seinem Tod in diesem Staat aufgehalten hatte. Das Aufenthaltsrecht findet trotz eines solchen fünfjährigen Aufenthalts jedoch keine Anwendung, wenn der Erblasser im Zeitpunkt seines Todes zu seinem Heimatstaat offensichtlich engere Beziehungen unterhielt (Art. 3 Abs. 2 Satz 2 ErbÜbk). Da solche engere Beziehungen der Erblasserin zu den Niederlanden nicht vorlagen, führen die einschlägigen Bestimmungen zur Anwendbarkeit des deutschen Erbrechts.
b) Aus der Anwendbarkeit des deutschen Erbrechts ergibt sich nach dem Grundsatz des Gleichlaufs von anwendbarem materiellem Recht und Verfahrensrecht (vgl. dazu BayObLGZ 1986, 466/469 m.w.N.) die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte. Für die Anwendung des § 2369 BGB ist in Fällen, in denen ein ausländischer Erblasser nach deutschem Recht beerbt wird, kein Raum (MünchKomm/Birk IPR 3. Aufl. Art. 25 EGBGB Rn. 346).
c) Das Landgericht ist rechtsfehlerfrei zu dem Ergebnis gekommen, dass das Schriftstück vom 8.3.1995 kein Testament darstellt.
Eine schriftlich niedergelegte Erklärung des Erblassers kann, auch wenn sie den formalen Voraussetzungen des § 2247 BGB genügt, nur dann als letztwillige Verfügung gelten, wenn sie mit Testierwillen abgegeben worden ist, also mit dem ernstlichen Willen des Erblassers, ein Testament zu errichten und rechtsverbindliche letztwillige Anordnungen zu treffen. Daher muß außer Zweifel stehen, dass der Erblasser die von ihm erstellte Urkunde als rechtsverbindliche letztwillige Verfügung angesehen hat. Entscheidend ist der tatsächliche Wille des Erblassers. Bei der Feststellung dieses Willens handelt es sich um eine im wesentlichen auf tatsächlichem Gebiet liegende Frage, die vom Tatrichter im Wege der Auslegung (§ 133 BGB) unter Heranziehung aller erheblichen, auch außerhalb der Urkunde liegenden Umstände und der allgemeinen Lebenserfahrung zu beurteilen ist. Dabei sind an den Nachweis des Testierwillens strenge Anforderungen zu stellen. Die tatrichterliche Würdigung kann in der Rechtsbeschwerdeinstanz nur auf Rechtsfehler überprüft werden (ständige Rechtsprechung, vgl. BayObLG FGPrax 2000, 151). Solche liegen nicht vor.
Das Landgericht hat zutreffend auf die Umstände hingewiesen, die angesichts der konkreten Gestaltung der Urkunde gegen einen Testierwillen der Erblasserin sprechen. Das Schriftstück ist in der Überschrift als Vollmacht und im Text als Vollmachtserteilung bezeichnet. Die Vollmacht sollte nach den Inhalt der Urkunde sofort wirksam werden; einen Hinweis auf den Tod der Erblasserin oder darauf, dass die Bevollmächtigte Rechtsmacht gerade auch für den Todesfall erhalten sollte, enthält die Urkunde nicht. Die erteilte Vollmacht bezieht sich auch nur auf bestimmte Vermögensgegenstände. Auch wenn diese das wesentliche Vermögen der Erblasserin ausmachten, findet sich in der Urkunde doch kein Anhaltspunkt dafür, dass die Erblasserin durch die Erteilung einer diese Vermögensgegenstände betreffenden Vollmacht im Falle ihres Todes ihr gesamtes Vermögen der Beteiligten zu 1 zuwenden wollte. Das Landgericht hat unter Berücksichtigung der wesentlichen Umstände auch die Möglichkeit erörtert, dass es sich bei der Verwendung der Bezeichnung "Vollmacht" um eine von der Erblasserin gewählte Falschbezeichnung gehandelt haben könnte, und dies rechtsfehlerfrei verneint.
Aus den Äußerungen der Beteiligten zu 1 und ihrer Söhne über einen von der Erblasserin bekundeten allgemeinen Willen, dass der Beteiligten zu 1 das restliche Vermögen gehören solle, mußte das Landgericht kein anderes Ergebnis der Testamentsauslegung herleiten. Das Landgericht hat diesen Bekundungen nicht entnehmen können, dass die Erblasserin zum Ausdruck gebracht habe, entsprechend testiert zu haben. Dieser vom Landgericht gezogene Schluß ist rechtlich nicht zu beanstanden.
Nachdem das Landgericht rechtsfehlerfrei das Schriftstück vom 8.3.1995 nicht als Testament angesehen hat, mußte es sich auch nicht mit der Frage auseinandersetzen, welcher Bedeutung dem Umstand zukommt, dass in diesem Schriftstück nicht nur die Beteiligte zu 1, sondern auch deren Tochter Sabine als Vollmachtnehmerin genannt ist.
3. Im Hinblick auf die sich aus dem Gesetz ergebende Kostenfolge bedarf es keiner Entscheidung über die Gerichtskosten im Verfahren der weiteren Beschwerde. Die Erstattungsanordnung in bezug auf die Beteiligte zu 2, die sich im Rechtsbeschwerdeverfahren beteiligt hat, beruht auf § 13a Abs. 1 Satz 2 FGG.
4. Der Geschäftswert des Verfahrens der weiteren Beschwerde wird in Übereinstimmung mit dem Landgericht auf DM 69000,-- festgesetzt (§ 131 Abs. 2, § 30 Abs. 1, § 31 Abs. 1 KostO).
Ende der Entscheidung
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